Poemagramme — mehrfach verdichtete Gedichte

Poemagramm-Theorie

Poemagramm-Definition(en)

Der Begriff Poemagramm wurde von Urs Ars & Artur Urart für Gedichte entwickelt, die mehr als (einfach) die Gedicht-typischen 2 Dimensionen nutzen oder diese mehrfach, bspw. tabellenartig (was ja eine der bekanntesten Formen eines Diagramms ist).

Dabei verstehen wir unter Gedichten Texte in Versform, auch solche, die (meist wegen ihrer Kürze oder ihres Inhalts*) nur als Sprüche gelten.

Während gewöhnliche Gedichte für Dichterlesungen meist problemlos geeignet sind, weil Endreime am Ende der Verse oder/und hörbare Pausen beim Lesen die Vers-Enden deutlich machen, bedürfen Poemagramme i.d.R. für adäquate Vermittlung des Visuellen.
Obwohl dafür wohl der Begriff "Bildgedichte" üblich ist, ziehen wir es vor, diesen für bebilderte, insbesondere illustrierte Gedichte zu reservieren und nutzen u.U. den Poemagramm-Begriff teilweise auch für andere Fälle, die des Visuellen bedürfen, bspw. für Fälle, die einer besonderen Schrift bedürfen.


*>>Man sollte wirklich alles, was sich über das Gemeine erheben muss,
in Versen wenigstens anfänglich konzipieren,
denn das Platte kommt nirgends so ins Licht,
als wenn es in gebundener Schreibart ausgesprochen wird.<<

Friedrich Schiller: Brief an Goethe vom 24. November 1797
[zitiert nach Wikipedia]

(Einige) Poemagramm-ARTEN

LISTUNG (Übersicht)

Poemagramme beruhen oft in besonderem Maße auf Wortspielen. Im Prinzip kann bei entsprechender Komplexität zu jeder Art von Wortspiel eine Poemagrammart definiert werden.

Zu Poemagrammen zählen wir unter anderem insbesondere Gedichte oder Sprüche, die mit (mindestens) einer der folgenden adäquat visualisierten Wortspielarten arbeiten (Begriffsbildungen von uns):

Entsprechend erhält man:
Einige weitere Formen, die auf bekannten Wortspielen beruhen, sind:

Besonders hochwertige Poemagramme auf Basis von solchen Wortspielen entstehen, wenn möglichst viele der folgenden Ideal-Gebote erfüllt sind:
  1. Außerhalb der eigentlichen WortSpiele ist kein zusätzlicher Ergänzungstext in einem Vers notwendig für eine sinnige Verbindung der Verse.
  2. An keiner (Reim-)relevanten Stelle wiederholt sich ein TeilWort mit identischer Bedeutung, sodass unschöne identische Reime entstehen könnten, die sich nicht als schöne Homonym-Reime entpuppen.
  3. Der Inhalt thematisiert das WortSpiel, das er nutzt (oder hat einen anderen inhaltlichen Bezug.)
  4. Es wird mehrfach immer dieselbe WortSpielArt benutzt.
  5. Metrum oder/und EndReime stellen sich ebenfalls wie nebenbei ein.
Allerdings schließen sich tendenziell viele der Gebote gegenseitig in der Praxis aus, da die Sprache nicht die geeignet passenden Wörter für so viele anspruchsvolle Bedingungen bereitstellt. EndReime stellen sich aber teilweise tatsächlich wie von selbst ein, etwa oft bei Schlangen-Poemagrammen.

Kubonym-Poemagramme, Kubogramme oder Kubonym-Gedichte

(Werden bei anderer Gelegenheit beschrieben.)

Zyklogramm-Poemagramme oder Zyklonym-Poemagramme

Wörter sind zueinander zyklonym bzw. Zyklonyme voneinander, wenn sie auseinander entstehen, indem man den WortAnfang des einen Wortes an sein Ende klebt und den entstehenden Reif an geeigneter Stelle wieder aufschneidet.
Jedes der beiden Wörter hat darum eine ausgezeichnete Schnittstelle für seine Umwandlung ins andere Wort.
Bei mehr Zyklonymen voneinander gibt es entsprechend mehr Schnittstellen. Alle 2, 3 oder m beteiligten Wörter lassen sich so in 2, 3 oder m Teile zerlegen (die auch teilweise leer sein können. Ordnet man diese zyklisch in einer (m x m)-Tabelle, dass das Ende des ersten Wortes in allen Zellen der steigenden Diagonale der Tabelle liegt, lassen sich die m Wörter auch senkrecht lesen und das Schema heißt das zugehörige Zyklogramm.

Beispiele für Zyklogramme mit m=2 sind u.a. 2 Beispiele für Zyklogramme mit m=3 sind unter WeinSteinHerz als Poemagramm verarbeitet.

(Werden bei anderer Gelegenheit genauer beschrieben.)

Verband-Poemagramme

(Werden bei anderer Gelegenheit (Artur Urart) beschrieben.)

Schlangen-Poemagramme / Schlangen-Sprüche

Der Begriff Schlangen-Poemagramm bzw. Schlangen-Spruch greift gleich 2 typische Eigenschaften der Schlangen auf:

Typisch ist, dass eine Schlange aus (Groß-)Buchstaben, die ungegliedert aneinandergereiht sind, auf mindestens 2 inhaltlich verschiedene Arten (insofern "doppelzüngig") zu lesen ist.

Die verschiedenen Lesarten können durch die Stellen, an denen man Zäsuren markiert, (mit-)bestimmt sein, müssen aber nicht, da auch gewöhnliche Homonyme, die sich nicht einmal durch Zäsuren unterscheiden, in der empfehlenswerten inklusiven Denkweise als Spezialfall mit 0 Zäsuren ebenfalls zu Zäsur-Homonymen gerechnet werden. (Möchte man diesen Fall ausdrücklich ausschließen, sollte man von "echten Zäsur-Homonymen" sprechen.)

Die Zäsuren können verschiedener Art sein (und werden jeweils extra schmal, aber fett auf die senkrechte schmale oder graue TrennLinie zwischen 2 Buchstaben markiert). Insbesondere sind zu nennen:
Zu diesem Zweck schreibt man die Buchstaben-Schlange am besten in einer Monospace-Schrift in ein Rechteckraster 2- oder mehrmals untereinander, je nachdem, wie viele Interpretationen gewünscht sind.

Möchte man das Schlangen-Poemagramm nicht als Rätsel stellen, markiert man auf den Gitterlinien des Rasters zwischen den Buchstaben die jeweils passenden obigen schmalen Zäsur-Zeichen. Auch eine Schreibweise in Klartext mit Groß- und Kleinbuchstaben, Leerzeichen zwischen den Worten, ggf. Bindestrichen, Apostrophs oder Satzzeichen ist dann möglich.

Für Rätselfreunde kann man die Zäsurzeichen weglassen und u.U. sogar die Buchstabenfolge nur einmal als (Groß-)Buchstaben-Schlange notieren (samt Hinweisen auf die Aufgabe).

Bei Bedarf sollte man die gewünschten Interpretationen durch einen Ergänzungstext, der vorangestellt oder/und nachgestellt sein kann, semantisch sinnig miteinander verbinden.

Als besondere Kunst gilt (gemäß oben), wenn mindestens eines der folgenden Gebote erfüllt ist:
  1. Ein Ergänzungstext ist für eine gemeinsame sinnige Formulierung (möglichst) nicht nötig.
  2. Das Zäsur-Homonym hat keine sinntragenden Teile, die in verschiedenen Zeilen (syntaktisch identisch) übereinanderstehen und auch semantisch dasselbe bedeuten (Gebot, (möglichst) identische Reime auch innerhalb des Zäsur-Homonyms zu vermeiden).
Meist kann das eine der beiden Gebote allenfalls auf Kosten des anderen erfüllt werden. Darum sind beide Gebote nicht streng.

Ersteres Gebot lässt sich in folgende 3 schwächere aufspalten, von denen möglichst viele erfüllt sein sollten: Bei einer entsprechenden Abschwächung des zweiten Gebots (der 2 Gebote), ist wegen des ersten Gebots der (3-fachen) Aufspaltung des ersten (der 2 Gebote) (möglichst) darauf zu achten, dass wenigstens am Ende des Zäsur-Homonyms keine identischen Bedeutungen für sinntragende Zäsur-Homonym-Teile vorkommen, da es sonst unschöne identische Reime geben kann.
Anders als oft üblich betrachten wir allerdings 2 Reime noch nicht als identisch (und entsprechend unerwünscht), wenn sie in der Form (Syntax) übereinstimmen, sondern nur, wenn sie auch im Inhalt (in der Semantik) übereinstimmen. Reime zwischen Homonymen sind (uns) insofern nicht nur nicht verachtenswert, sondern sogar besonders rein und hochwertig. Das hat damit zu tun, dass die Logik, Ideamatik und Mathematik das Symmetrische (und "Gleichheitshaltige", also insbesondere die Identität auszeichnet, aber Wortspiele mit vollkommener Identität uninteressant sind. Insofern überzeugt uns das, was vollkommener Identität am nächsten ist (wie Palindrome, Transpositionen, Zyklonyme, Zäsur-Homonyme und besonders Homonyme als Extrem) am meisten, obwohl schon der nächste kleine Schritt zur plötzlich uninteressanten Identität führt, die so als Singularität aus der Reihe tanzt.
Die oft vertretene Gegenposition (die sich in der Kunst auch als Gegenposition zur Logik versteht) lehnt umgekehrt alles Regelmäßige als langweilig ab, also insbesondere das Identische und was in seiner Nähe ist, Symmetrisches und Ähnliches und sucht gar (insofern konsequenterweise) Reime überhaupt zu meiden. Diese Position vertreten wir allerdings (entschieden) nicht.


Möchte man betonen, dass es sich bei einem Schlangen-Poemagramm nicht um ein Poemagramm ÜBER Schlangen handelt, kann man auch deutlicher doppelzüngiges Schlangen-Poemagramm sagen, bei mehr als 2 Interpretationsmöglichkeiten der Schlange gar auch 3-züngig oder dgl. voranstellen.

Statt von einem m-züngigen Schlangen-Poemagramm der Länge (Buchstabenzahl) n kann man auch von einem (m; n)-Schlangen-Poemagramm oder — wenn man nur eine Buchstaben-Schlange ohne eingetragene Zäsuren als Rätsel stellt — von einer (m; n)-Schlange sprechen. (Dabei sind m und n natürliche Zahlen, die i.d.R. größer als 1 sind, n meist erheblich größer, m tendenziell umso näher am Minimum 2, je größer n ist.)

Doppelzüngige Schlangen-Poemagramme sind auch ein Beispiel spezieller (nämlich trivial winkelfreier) adäquat realisierter Kubonyme (Kubonym-Poemagramme), nämlich solcher, bei denen die Buchstaben-Würfelchen zu einer geraden (4-Kant-)Stange gereiht sind, von der 2 Nachbarseiten beschrieben sind. Diese lassen sich in einem Papp-Modell leicht heraustrennen und flach in die Ebene klappen, ganz entsprechend der Darstellung im Rechteckraster, das dann natürlich ein Quadratraster ist (was sowieso bevorzugt zu empfehlen ist).

Doppelzüngige Schlangen-Poemagramme werden auch als Zwillingsreim bezeichnet, wenn sie ohne Raster und zugehörige extra-schmale Zäsur-Zeichen unter Verwendung von Groß- und Kleinbuchstaben in Klartext in 2 Zeilen geschrieben werden.

Ein Beispiel ist die (3; 19)-Schlange WEINSTEINERWEICHEND,
ein anderes die (2; 21)-Schlange BÖSEDIEBEKLAUTENWAREN [von Günter Nehm a.a.O. in Wikipedia]

Oxymoron-Poemagramme

Hier ist das Ideal möglich, nur Oxymora als Verse aneinanderzureihen, ohne Ergänzungstext zu benötigen (teilweise auch trotzdem mit Reim).

Idealerweise werden die beiden gegensätzlichen Teile jedes Oxymorons links und rechts einer vertikalen Mittellinie bündig an diese platziert.

Tipp 1: Vorzugsweise hat mindestens ein Teil jedes Oxymorons homonymen Charakter.

Tipp 2: Es gibt viele Synonyme zu "sehr", die sich hervorragend eignen, solche Oxymora zu generieren.

(Werden bei anderer Gelegenheit genauer beschrieben.)

Akrostichon-Poemagramme

Ein konventionelles Gedicht mit Endreimen, das zudem Akrostichon ist, also auch vertikale Verbindungen am Zeilen-Anfang aufweist, ist nach Definition bereits ein Poemagramm, da es 2-fache vertikale Verbindungen gibt (je am Vers-Anfang und -Ende).

Besonders hübsch ist es natürlich, wenn das Akrostichon-Prinzip für vertikale Wortanfänge nicht nur fürs jeweils erste Wort einer Zeile funktioniert.

(Werden bei anderer Gelegenheit genauer beschrieben.)

Poemagramm-BEISPIELE

WeinSteinHerz-Poemagramm — WEINSTEINERWEICHEND(?) © Artur Urart 20171130_1540

Das Folgende ist ein Zyklogramm-Poemagramm, das in der Überschrift zudem eine (3; 19)-Schlange (als Rätsel) hat.
WeinSteinHerz-Poemagramm von Artur Urart

Kommentar des Autors (Artur Urart zu WeinSteinHerz)

Bemerkung 1:

Dürste nach Wasser
mehr als nach Wein!
Höchstens ja Wasser
bricht auf den Stein!

Bemerkung 2:

Gilt NOMEN est OMEN?
Nein, nicht unbedingt;
nicht NAMEN und AMEN,
wenn man um mehr ringt!

Bemerkung 3:

Verwendet wurden für das Poemagramm Zyklogramme, hier in der anspruchsvollen 3-zähligen Form, 3-Zyklogramm genannt.
(Ein Beispiel für ein 2-Zyklogramm ist das Artur_Urart-Logo.)

Während im oberen der beiden verschiedenen 3-Zyklogramme des Gedichts darauf geachtet wurde, dass jedes Element 3-mal verschieden (quasi homonym) verwendet wird, steht im unteren 3-Zyklogramm die Mehrdeutigkeit jeder Zeile der Matrix im Vordergrund. Dafür wurden auch Satzzeichen weggelassen. (Im oberen wurde wiederum das "EIN" nicht platzfüllend ans vordere oder hintere Ende seines Kästchens platziert, um durch die resultierende Lücke die unterschiedliche Lesart zu garantieren.)

WEINSTEINERWEICHEND ist ein ZäsurHomonym. Finden Sie verschiedene Möglichkeiten, an geeigneten Stellen Zäsuren sinnvoll zu markieren (wie Lücken, Bindestriche, Apostrophe, Satzzeichen, ...). Mindestens 2 oder 3 Möglichkeiten davon sollten auch zum Gedicht passen!

Zu den vielfältigen inhaltlichen Anspielungen rund um versteinerte Herzen, die Rolle der Trauer ("Weinen") bei ihrem Entstehen (und vielleicht bei ihrer Auflösung), Wasser & Wein, Biblischem, ... vielleicht ein andermal mehr.

EINE Lösung zur WEINSTEINERWEICHEND-Aufgabe, die sich um eine politische InterpretationsMöglichkeit drückt, wäre bspw.: Weinst einer weichend, wein' steinerweichend, Weinsteiner weich! End'.

Misslich-Schlangen-Poemagramm (© Artur Urart 19971111_0030 & 19980526_1630)

Das Folgende ist auch ein Schlangen-Poemagramm, freilich mit ErgänzungsText. Die in der Theorie beschriebenen Verse sind hier spaltig angeordnet, haben je 2 gemeinsame Zäsur-Homonyme (und schon dadurch eine doppelte Bindung zwischen diesen "spaltigen" Versen und sind mit ihrem Pendant jeweils horizontal gepaart, dass sich je Vers und Verspaar DIN-Formate ergeben, die sich zu größeren DIN-Formaten summieren.
MISSlich-Schlangen-Poemagramm

Schlaraffen-Analyse-Verband-Poemagramm (© Artur Urart 20070827_1735)

Das Folgende ist ein Verband-Poemagramm
Schlaraffen-Analyse-Verband-Poemagramm

SW-Stabreim-3x2-Poemagramm (© Artur Urart 20070909_0005 & 20061205_2000)

Das Folgende ist ein tabellenartiges Poemagramm in Form einer 2x3-Tabelle, die links die negativen Gegenteile der positiven rechten Themen thematisiert. Innerhalb der TabellenZellen steht je ein Gedicht aus ausschließlich stabreimenden Wörtern, die insofern zudem sowohl die Dimension der Zeilen mehrfach stärkt, als auch die zwischen den Zeilen, die darüber hinaus durch (leidliche) Endreime (schwach) verbunden sind.
SW-Stabreim-3x2-Poemagramm